aus der SZ vom 11.07.09:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/656/480140/text/
Weniger
Fett - kein Bier: Beim Garen über offener Glut bilden sich oft
krebserregende Chemikalien. Doch das lässt sich vermeiden - mit ein
paar einfachen Tricks.
Je stärker gegrillt, desto ungesunder ist die Bratwurst. (Foto: dpa)
Dieses Zischen, das Fetttropfen von sich geben,
wenn sie von einem Stück Fleisch durch den Rost in die Glut fallen und
verbrennen, es klingt in den Ohren hungriger Griller wie Musik. In den
Ohren von Krebsforschern und Lebensmittelchemikern klingt dasselbe
Zischen ganz anders: wie ein Warnsignal.
Die deutschen Männer
essen im Durchschnitt 100 Gramm Fleisch pro Tag, Frauen knapp halb so
viel. Im Sommer, der nun wohl auch den Süden Deutschlands erreichen
soll, wird dieses Fleisch gerne im Freien genossen und auf offenen
Feuerstellen zubereitet.
Etwa 100 Millionen Grillfeuer werden
hierzulande jedes Jahr entfacht, Tendenz steigend. In diesem Jahr
wurden für das Freiluftvergnügen allein bis April fast 77.000 Tonnen
Holzkohle importiert, ein Drittel mehr als im gleichen Zeitraum des
Vorjahres.
Auf den Grünflächen deutscher Großstädte drängen
sich an einem sonnigen Tag die Grillgruppen so eng nebeneinander wie
Touristen am Strand von Mallorca, umhüllt von dichten Rauchschwaden.
Moleküle als Spaßverderber
"Der
Qualm besteht aus feinen festen Partikeln in einem Gas", sagt Beate
Koksch vom Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität
Berlin. "Die im Grillfeuer entstandenen feinen Fetttröpfchen brechen
das Licht und erscheinen weiß, wie auch Ascheteilchen. Kohlepartikel
hingegen sind schwarz, und das gibt zusammen eine graublaue
Mischfarbe."
Verschiedenen Studien zufolge sind in den
Fetttropfen Moleküle enthalten, die einem den Spaß am Barbecue nehmen
können, jedenfalls wenn man die Grill-Grundregeln nicht einhält. Zu den
unerfreulichen Substanzen gehören polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe (PAK).
PAK entstehen, wenn Fett verbrennt.
Die kettenförmigen Fettsäuremoleküle bilden bei hohen Temperaturen
Ringe, sagt Sabine Rohrmann vom Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg. PAK wie zum Beispiel Benzpyren gelten als krebserregend.
Zudem
kommt es beim Grillen zur Maillard-Reaktion, die auch geröstetem Kaffee
oder Brotkrusten ihr spezielles Aroma verleiht. In der vom
französischen Chemiker Louis Camille Maillard 1912 beschriebenen
Reaktion reagieren bei Temperaturen oberhalb von 150 Grad Celsius freie
Aminosäuren mit Zuckern.
Ein typisches Grillfeuer erzeugt
zwischen 160 und 300 Grad Hitze. Dabei bilden sich neben Stoffen, die
wir als wohlriechend wahrnehmen, auch krebserregende Substanzen wie
Acrylamid und heterozyklische aromatische Amine (HAA).
"Je
stärker etwas gebraten ist, desto mehr PAK und HAA entstehen", sagt
Wolfgang Jira vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für
Ernährung und Lebensmittel in Kulmbach. Zum Aroma des Fleisches tragen
diese aber laut Koksch nicht unbedingt bei. PAK lagern sich dann am
Fleisch an und werden mitverzehrt.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat 2008 in einer
Studie über PAK in Lebensmitteln statistische Mittelwerte errechnet.
Demnach nimmt jeder Europäer im Durchschnitt pro Tag durch
Getreideprodukte wie zum Beispiel Brot und Müsli 67 Nanogramm von dem
PAK Benzpyren auf. Über Gemüse und Nüsse sind es täglich 52 Nanogramm,
über Fleisch 42 Nanogramm.
Bei einem kräftig angebratenen Stück
Fleisch auf dem Grill können es aber bis zu 14.000 Nanogramm sein. Wer
diese Dosis vermeiden will, sollte einige Hinweise beim Grillen
beachten. "Dann kann man sorglos grillen, auch weil man das ja nur ein
paar Mal im Jahr macht", sagt Jira. Wenn nicht, gelangen durchaus
krebserregende Stoffe in den Körper.
Erhöhtes Darmkrebsrisiko
Sabine
Rohrmann hat vor einigen Wochen eine Studie veröffentlicht, in der die
Entstehung von Darmkrebs mit dem Verzehr von gebratenem Fleisch in
Verbindung gebracht wird. Knapp 4500 Personen hatten Auskunft über ihre
Essgewohnheiten gegeben.
Sie wurden unter anderem gefragt, wie
viel Fleisch sie essen, und sollten anhand von Abbildungen angeben, wie
stark das Fleisch gebräunt sein soll. Die Probanden wurden anschließend
in vier Gruppen eingeteilt, gemäß ihrer anzunehmenden HAA-Aufnahme.
Zudem wurde bei allen Personen im Rahmen einer Früherkennungsmaßnahme
der Dickdarm untersucht.
Es zeigte sich, dass die Gruppe, die
am meisten HAA zu sich zu nimmt, ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko für
Dickdarmkrebs hatte, gemessen an der Gruppe mit dem geringsten
HAA-Konsum. Damit bestätigten die Ergebnisse den lange bestehenden
Verdacht, dass HAA Darmkrebs auslösen können.
"Diese HAA-Moleküle wirken direkt auf das Erbgut der Zellen im
Darm", sagt Rohrmann. Sie werden zwar zum Teil abgebaut, aber manche
der reaktiven Moleküle gelangen in den Zellkern und lassen dort
DNS-Addukte entstehen - ungewöhnliche Verkettungen im Erbgut. "So
können sie Mutationen in Genen und damit Tumore auslösen", sagt
Wolfgang Jira.
Das PAK Benzpyren ist auch in Zigaretten
enthalten. "In der Literatur finden sich für normal gegrilltes Fleisch
Benzpyren-Gehalte von etwa einem Mikrogramm pro Kilogramm", sagt Jira.
"Geht man von einer Steakgröße von 250 Gramm aus, so würde man durch
den Verzehr eines Steaks ungefähr so viel Benzpyren aufnehmen wie durch
das Rauchen von zehn Zigaretten."
Auch einige Gewohnheiten, die
zum besseren Geschmack des Grillfleischs beitragen sollen, bergen
Risiken. So wird zum Beispiel das Bier nicht nur als Getränk, sondern
auch als Würzmittel verwendet. "Wer das Fleisch mit Bier ablöscht und
so den Geschmack verbessern will, erzeugt wiederum gefährliche Stoffe",
sagt Jira.
Besser nicht gepökelt
Die
organischen Bestandteile von Bier wie Kohlenhydrate und Proteine
können, wenn sie in die Glut tropfen, auch PAK bilden. Gleiches gilt
für Marinaden. Die meist ölhaltigen Saucen tropfen in die Glut und
bilden die unerwünschten Ringmoleküle. Je fetter das Grillgut ist,
desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Fett in die Glut tropft.
Auch
gepökeltes Fleisch, das auf einem Grill zubereitet wird, bildet
krebserregende Verbindungen. "Das im Pökelsalz enthaltene Nitrit bildet
Nitrosamine, die krebserregende Wirkungen haben", sagt Rohrmann.
Beim
Kochen und Dünsten von Fleisch und auch in der Mikrowelle entstehen
weniger der kanzerogenen Moleküle, "weil die Gartemperaturen bei etwa
100 Grad Celsius liegen und das nicht reicht, um große Mengen PAK und
HAA zu erzeugen", sagt Jira.
"Man hat Hähnchenfilets bei
verschiedenen Temperaturen gebraten und beobachtet, dass bei einer
Temperatur von 220 Grad ungefähr die 30-fache Menge HAA entstand wie
bei den Filets, die lediglich bei 170 Grad gegrillt wurden."
Abstand halten
Interessanterweise
verhindert auch das Frittieren das Entstehen von PAK und HAA. "Die
Lebensmittel in der Fritteuse sind meist paniert, und es entsteht kein
direkter Kontakt zwischen dem Fleisch und der heißen Oberfläche", sagt
Rohrmann.
Um Gesundheitsrisiken zu vermeiden, kann der Griller
aber einiges unternehmen. Entscheidend ist zum einen der Abstand vom
Rost zur Glut, sagt Rohrmann. "Der sollte so groß wie möglich sein, um
die Temperatur so gering wie möglich zu halten." Zudem kann man
angebrannte Fleischränder auch schlicht abkratzen.
"Denn die
gefährlichen Verbindungen entstehen hauptsächlich am Rand", sagt
Rohrmann. Und um zu vermeiden, dass Fett in die Glut tropft, rät Jira,
Alufolie oder Alu-Grillschalen unter das Grillfleisch zu legen.
"Insgesamt kann man so die Risiken deutlich reduzieren", sagt Jira.
"Und dann ist Grillen auch absolut ungefährlich."
(SZ vom 11.07.2009/gal)
Grillen ohne Risiko
aus der SZ vom 11.07.09:
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siehe auch:
offenes Feuer auf der Zeltwiese
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